Interview Karin Hofmann, Wohnenbern

Von Impact Immobilien am April 28, 2022

Wohnenbern – Wohnraum für obdachlose Menschen

Karin Hofmann klein

Karin Hofmann, Geschäftsführerin Verein Wohnenbern
Studium in Pflege und Sozialer Arbeit an der Berner Fachhochschule und Management Weiterbiludngen des Betriebspsychologischen Instituts BPIH, der Ashridge Business School und Universität St. Gallen (HSG). Langjährige Tätigkeit als Delegationsleiterin für das IKRK im Nahen Osten, in Afrika, Zentral- und Südasien und Autorin des Buches "In jeder Hölle ein Stück Himmel - 13 Jahre in Kriegs- und Krisengebieten". Seit 2018 Geschäftsführerin des Vereins Wohnenbern und der neu gegründetetn DOCK8 GmbH. Präsidentin der Wohnkonferenz Bern und Mutter einer zehnjährigen Tochter.

Wohnenbern kümmert sich um Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen oder bedroht sind. Was bedeutet dies konkret? Wer kommt zu Ihnen und mit welchen Bedürfnissen?

Die rund 160 Menschen, die bei Wohnenbern Wohnraum und Wohnbegleitung erhalten, haben zwar sehr unterschiedliche Hintergründe und Bedürfnisse, aber eine Gemeinsamkeit: für sie alle ist es schwierig, eigenständig eine Mietwohnung zu erhalten. Dies kann unterschiedliche Gründe haben. Zum Beispiel Einträge im Betreibungs- oder Strafregiser oder Unterstützungsbedarf im Alltag wegen psychischen und/oder Suchterkrankungen.

Wie muss man sich die Arbeit von Wohnenbern vorstellen? Welche Aufgabe übernimmt Wohnenbern? Was sind Zweck und Ziel?

Wir haben ein Team von 15 Sozialarbeitenden, welche unsere Kundinnen und Kunden je nach Bedarf täglich, wöchentlich oder monatlich im Alltag beim Aufräumen, Putzen, Waschen, Erledigen der Post, im Zusammenleben mit den Nachbarn oder im Umgang mit Verwaltung, Behörden und Ärzten oder bei Freizeitaktivitäten und beim Knüpfen von sozialen Kontakten unterstützen. Das Ziel unserer Wohnbegleitung ist es stets, die "Wohnkompetenz" zu fördern, damit ein unabhängiges und selbständiges Wohnen und das Teilhaben am gesellschaftlichen Leben wieder möglich ist.

Wohnenbern verfügt über verschiedene Standorte. Wie unterscheiden sich die jeweiligen Angebote?

Der Verein ist Mieterin von sieben Häusern mit insgesamt rund 100 Studios oder WG-Zimmern in der Stadt Bern. Dazu kommen noch ungefähr 60 Einzelwohnungen in verschiedenen Liegenschaften. Wir achten darauf, dass wir in allen Liegenschaften mit einem Gesamtmietvertrag ein möglichst "durchmischtes Wohnen" anbieten können. Das heisst, dass der Unterstützungsbedarf der Kundinnen und Kunden variiert. Somit garantieren wir eine grösstmögliche Stabilität der Mieterschaft und auch der Nachbarschaft in den jeweiligen Häusern und Quartieren.
Es gibt aber zwei Ausnahmen: im Breitenrain unterhalten wir ein Haus für Menschen, welche eine 24-Stunden-Betreuung benötigen und an der Weissensteinstrasse im Mattenhof-Weissenbühl bieten wir ein sehr niederschwelliges Wohnangebot im Bereich "Schadensminderung" für schwer suchtkranke Menschen an.

 

«Das Ziel unserer Wohnbegleitung ist es stets, die "Wohnkompetenz" zu fördern, damit ein unabhängiges und selbständiges Wohnen und das Teilhaben am gesellschaftlichen Leben wieder möglich ist.»

Karin Hofmann
Geschäftsführerin Verein Wohnenbern

Wie wird Wohnenbern finanziert?

Wohnenbern ist der grösste Leistungsvertragspartner der Stadt Bern im Bereich Obdachsicherung: 120 Plätze des betreuten und begleiteten Wohnens werden durch die Stadt finanziert. Dazu kommt die Finanzierung von 8 Plätzen durch den Naturalverpflegungsverband, einem Zusammenschluss von 12 Agglomerationsgemeinden. Rund 2/3 des Gesamtbudgets wird schliesslich über Mieten und Wohnpaschaulen abgegolten.

Bezahlbare Wohnungen in der Stadt Bern zu finden, ist eine grosse Herausforderung. Wie gelingt es Ihnen, entsprechende Wohnungen zu finden?

Dies ist in der Tat eine sehr schwierige Aufgabe. Liegenschaftsbesitzer und Verwaltungen schrecken leider oft von Vermietungen an unsere Kundschaft zurück, sind aber eher bereit, Wohnraum an eine Organisation wie Wohnenbern zu vermieten, bei der jederzeit eine Ansprechperson zur Verfügung steht und welche die Mieterschaft begleitet. Wir sind dankbar, wenn Unternehmen wie die Impact Immobilien AG mit uns zusammenspannen und den Menschen so eine Chance für eine eigene Wohnung geben.

Wir sehen regelmässig Erfolgserlebnisse, wenn unsere Kundinnen und Kunden manchmal nach langem wieder eine eigene Wohnung haben. Viele können so ihren Suchtmittelkonsum und ihre psychische Verfassung stabilisieren und sogar wieder einer Beschäftigung oder Arbeit nachgehen. Am Ende hilft dies uns allen in der Gesellschaft.

Welches sind wichtige Kriterien bei der Wahl der Wohnungen/Liegenschaften? Kleinst-Wohnraum, also Studios, 1- bis 2-Zimmerwohnungen, der von der Sozialhilfe und der Ergänzungsleistung bezahlt wird.

Die Kundschaft von Wohnenbern besteht in erster Linie aus Einzelpersonen zwischen 20 und 60 Jahren, weshalb wir vor allem günstigen Kleinstwohnraum suchen. Das wichtigste Kriterium ist der Mietzins: die Obergrenze des Netto-Mietzins der Sozialhilfe beträgt 900 Franken für eine Einzelperson. Das ist nicht viel, um ein Studio oder eine 1-bis maximal 2-Zimmerwohnung in der Stadt Bern zu finden.

Wie kam die Zusammenarbeit mit der Impact Immobilien AG zustande? Wie sieht die Zusammenarbeit aus und wie haben Sie diese bis jetzt erlebt?

Auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum hatte ich vor einiger Zeit einen Austausch mit Daniel Kusio, dem Geschäftsführer von Impact Immobilien. Ich habe ihm unser Konzept vorgestellt und geschildert, wie Menschen wieder Fuss fassen können im Leben, wenn sie eine Wohnung erhalten, ohne dass daran Bedingungen wie Suchtfreiheit, Therapie oder Beschäftigung geknüpft sind. Ich glaube, er war davon beeindruckt. Kurz vor Weihnachten erhielt ich dann einen Anruf, dass Impact Immobilien ein Haus mit 6 Studios und einer Dreizimmerwohnung im Murifeld für Wohnenbern erworben hat. Ein wunderbares Weihnachtsgeschenk!

Mit der IIAG haben wir eine Partnerin auf Augenhöhe gefunden, die sich sowohl für die Thematik der Obdachsicherung für Menschen mit psychischen und Suchterkrankungen, wie auch um die spezifischen Gegebenheiten des Sozialbereichs interessiert. Ich bin sicher, dass diese Kooperation ein vielversprechendes Zukunftsmodell ist.

Sie sind seit 4 Jahren Geschäftsführerin von Wohnenbern. Was motiviert Sie an Ihrer Arbeit?

In meiner Arbeit als Geschäftsleiterin von Wohnenbern sehe ich immer wieder, wie schnell es gehen kann, dass man plötzlich «aus dem Tritt» kommt. Manche unserer Kundinnen und Kunden waren Uniprofessoren, Sozialpädagogen oder Geschäftsführerinnen. Ein Bruch im Leben kann uns leider alle treffen: eine Krankheit, der Verlust der Arbeitsstelle, der Tod eines Familienmitglieds oder eine Scheidung reichen manchmal, um das ganze Leben zu destabilisieren. Mit diesem Wissen ist es leicht, den Menschen Akzeptanz und Wertschätzung entgegenzubringen und sie darin zu unterstützen, wieder selbständig leben zu können. Wenn dies gelingt, ist es wunderbar. Es sind diese Erfolge, die mich jeden Tag motivieren und von der Sinnhaftigkeit unserer Arbeit überzeugen.

Was war bisher eines der grössten Highlights/Erfolgserlebnisse bei Ihrer Arbeit bei Wohnenbern?

Wir haben in den letzten Monaten zwei unserer Kunden des begleiteten Wohnens als Mitarbeiter anstellen können. Beide haben sich durch eine geregelte Wohnsituation bei Wohnenbern soweit stabilisiert, dass sie zuerst ein Praktika in der Hauswartschaft und in unserem sozialen Gastronomiebetrieb DOCK8 – Restaurant, Beratung, Kultur absolvieren konnten. Nach sechs Monaten waren sie so gut unterwegs, dass wir sie in unser Team aufgenommen haben. Das bereitet uns allen eine immense Freude.

Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft?

Wir stellen seit längerer Zeit fest, dass die Nachfrage nach WG-Zimmern drastisch sinkt. Gerade bei der jüngeren Generation sind solche kollektiven Wohnsettings nicht mehr gefragt; die jungen Menschen wollen individuell wohnen, was ich sehr gut nachvollziehen kann. Das heisst aber, dass wir in Zukunft noch mehr kleinere Wohnungen, also Studios, 1- oder 2-Zimmerwohnungen benötigen. Diese zu bekommen, wird in den nächsten Monaten und Jahren eine grosse Herausforderung sein.

Welche Wünsche für Wohnenbern haben Sie?

Anschliessend an die letzte Frage hoffe ich fest, dass wir die Kooperation mit Impact Immobilien oder mit anderen Verwaltungen erweitern können, was die Vermietung von bezahlbarem Wohnraum für unsere Kundinnen und Kunden anbelangt. Es wäre natürlich toll, wenn dieser Wunsch in Erfüllung ginge - vielleicht schon zur nächsten Weihnacht, wer weiss!

Gut zu wissen – Verein Wohnenbern

Wohnenbern ist ein nicht profitorientierter Verein mit Sitz in der Stadt Bern. Seit 1998 vermietet der Verein Wohnraum an volljährige Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht oder betroffen sind, unabhängig ihrer persönlichen und aktuellen Lebenslage oder gesundheitlichen Einschränkung. Die Wohnbegleitung ziehlt auf den Erhalt oder die Wiederherstellung der Wohnfähigkeit und Unterstützung der aktiven Teilhabe und Inklusion in der Gesellschaft ab.

Hier erfahren Sie mehr über den Verein Wohnenbern: www.wohnenbern.ch und zu Dock8: www.dock8.ch

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Von Impact Immobilien am 28. April 2022

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