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Wie wollen wir im Alter wohnen?

Geschrieben von Rita Gisler | 09. Juli 2021

Wie wollen wir im Alter wohnen? Ein Diskussionsbeitrag von Rita Gisler

von Rita Gisler, Inhaberin von Rita Gisler - STRATEGIEN für Alter und Gesundheit und Verwaltungsrätin der Impact Immobilien AG.

Was sind die Herausforderungen?

Der demografische Wandel ist ein Fakt und betrifft vor allem die Zahl der Menschen ab 80: Bis 2050 wird sich die Zahl der 65-79-Jährigen um etwa 30% von heute 1.2 Millionen Menschen auf 1.6 Millionen erhöhen. Gleichzeitig wird die Zahl der 80+ um den Faktor 2.4 auf 1.1 Millionen Menschen ansteigen[1]. Der meist geäusserte Wunsch von älteren Menschen lautet: "Wir wollen zuhause alt werden!" Dies bedingt angemessene Wohnangebote und Dienstleistungen, die den Verbleib zuhause ermöglichen und finanziell tragbar sind.

Als Strategieberaterin für Städte und Gemeinden sowie Institutionen im Alters- und Sozialwesen erfahre ich immer wieder, dass adäquater Wohnraum für ältere Menschen für viele Gemeinden eine grosse Herausforderung darstellt.

Meistens fehlt es an hindernisfreiem, altersgerechtem und bezahlbarem Wohnraum.

Sehr oft bleiben ältere Menschen nach dem Wegzug der Kinder und/oder dem Tod des Ehepartners in ihren zu gross gewordenen Wohnungen oder Häusern, weil sich in der Stadt oder Gemeinde keine passende und vor allem auch zahlbare Alternative anbietet. Ein Gemeinwesen kann mittels Zonenänderungen, Auflagen in den Überbauungsordnungen, mit Baurechtsverträgen, aber auch durch Zusammenarbeit mit gemeinnützigen oder sozialen Bauträgern sowie durch Einflussnahme bei Projektwettbewerben Einfluss auf ein geeignetes Wohnangebot nehmen.

Was macht einen Lebensraum altersfreundlich?

Es sind einerseits die materiellen Aspekte, die zu einem altersfreundlichen Lebensraum beitragen, wie:

  • genügend altersgerechte, hindernisfreie und bezahlbare Wohnungen
  • hindernisfreie Gehwege und Zugänge zu Gebäuden und Wohnungen
  • Plätze zum Verweilen
  • Treffpunkte und niederschwellige Begegnungsmöglichkeiten
  • Mobilität durch ÖV-Anbindung und allenfalls Fahrdienste
  • Einkaufsmöglichkeiten
  • Freizeitangebote
  • professionelle und nachbarschaftliche Unterstützungsleistungen

Diese harten Faktoren per se machen einen Lebensraum allein noch nicht altersfreundlich. Es müssen auch die sozialen und gesellschaftlichen Aspekte berücksichtigt sein, nämlich:

  • Der Vielfalt ist Rechnung zu tragen: Die Heterogenität nimmt im Alter zu. Unterschiedliche Lebensbiografien wirken sich stärker aus. Zu gesunden, aktiven Rentner-/innen kommen Menschen mit mehr oder weniger Betreuungs- und Pflegebedarf. Es braucht Angebote für alle Bedürfnisse, wobei die neue Generationen älterer Menschen zunehmend auch auf neue, gemeinschaftliche Wohnformen anspricht.
  • Einsame sowie Menschen mit ungenügenden finanziellen Mitteln müssen unterstützt werden, damit ihre Teilnahme am gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben möglich ist. Es müssen Strukturen geschaffen werden, die ihre gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe fördern.
  • Selbstbestimmung, Autonomie und Würde in jeder Lebensphase, sind unabhängig von Herkunft, Bildung, Einkommenssituation und Religionszugehörigkeit zu gewähren.
  • Und: Ältere Menschen wissen als Expert-/innen in eigener Sache am besten, was sie brauchen. Sie sind partizipativ in Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse einzubeziehen.

Caring Community  -  Mehr als nur altersgerechter Wohnraum

Vom einstigen zentralen Ansatz übergeordneter städtischer oder gemeindeweiter Altersstrategien hat ein Umdenken zur Versorgung und Umsorgung älterer Menschen in ihrem Lebensraum stattgefunden. Das Stichwort heisst Sozialraumorientierung. So sollen Angebote, Hilfe und Unterstützung dort gewährleistet sein, wo die Menschen leben, in ihrem unmittelbaren Lebensraum, sprich in der Siedlung, im Quartier oder im Dorf.

Ein Modell, welches zunehmend an Akzeptanz gewinnt, ist dasjenige der Caring Community, der sorgenden Gemeinschaft. Es beinhaltet das gleichberechtigte und teilweise unterstützte Zusammenleben von Menschen innerhalb einer festgelegten geografischen Grösse (Stadtteil, Quartier, Siedlung, Dorf). Es ist ein Ansatz für umfassende Hilfe und Betreuung im Wohnquartier mit dem Ziel, die Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

Bei dieser Form der Betreuung werden die Kräfte aller Beteiligten gebündelt und koordiniert: diejenigen der professionellen Leistungserbringer, der Politik, der Bürgerinnen und Bürger selber sowie von Freiwilligen. Sie richtet sich u.a. auch an diejenigen Menschen, die nicht auf Angehörige zählen können. Eine aktuelle Studie vom Migros-Kulturprozent belegt, dass bereits heute 8% aller Pensionierten in der Schweiz ohne Angehörige alt werden. Das sind aktuell mehr als 100'000 Menschen und es werden laufend mehr.

Fazit

Um den Lebensabend zuhause verbringen zu können, brauchen ältere Menschen adäquaten Wohnraum, zudem neben der Wohnung eine hindernisfreie und begegnungsfreundliche Umgebung, eine ausreichende Versorgung mit Gesundheits- und Betreuungsdienstleistungen, Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe sowie eine gute Anbindung an den Verkehr. Der Heterogenität des Alters ist Rechnung zu tragen. Es braucht deshalb Angebote für alle Bedürfnisse, sei es für gesunde, aktive, technikaffine und mobile Neurentner-/innen als auch für fragile Hochbetagte. Die Angebote müssen dort aufgebaut werden, wo die Menschen leben, in ihrem Quartier, in der Siedlung, im Dorf. Im Hinblick auf die knapper werdenden Ressourcen (Finanzen, Fachkräfte) sind diese im Sinne einer Caring Community – Sorgenden Gemeinschaft – zu bündeln. Mit vereinten Kräften kann für ältere Menschen eine umfassende Unterstützung vor Ort gleichwertig für alle gewährleistet werden.

Beispiel SILBERGARTEN Derendingen - bezahlbare und altersgerechte Wohnungen  

In Derendingen hat die Impact Immobilien AG in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit der Gemeinde mit dem Projekt SILBERGARTEN ein Wohnangebot geschaffen, welches besonders älteren Menschen ein selbstbestimmtes und bezahlbares Wohnen mitten im Dorf ermöglicht. Die hellen Wohnungen sind alle hindernisfrei und altersgerecht gebaut. Die Arztpraxis und Einkaufsmöglichkeiten befinden sich im Erdgeschoss und die Bushaltestelle vorne an der Strasse. Nach dem Motto "Können aber nicht müssen" stehen die Dienstleistungen der lokalen Spitex abhängig von den individuellen Bedürfnissen flexibel zur Verfügung. Erfahren Sie hier mehr über den SILBERGARTEN.

[1] Referenzszenario BFS 2020 - 2050